Räume der Verbundenheit schaffen – integraler politischer Salon startet zum Thema „Einsamkeit“

Was sind zentrale Merkmale und Elemente integraler Politik?

Was ist integrale Politik? Und inwieweit ist Einsamkeit ein Thema, zu dem sich eine integrale Politik im öffentlichen Raum positionieren könnte oder sollte?

Um diese Fragen ging es beim ersten integralen politischen Salon im virtuellen DACH-Raum am 6.7.2021. Die Initiative hierzu war bei den Tagen der Zukunft 2021 entstanden. 13 integral-politisch Interessierte aus Deutschland, Österreich und der Schweiz nahmen am ersten Salontreffen teil.

Nach einer kurzen Einführung durch die Gastgeber, Dr. Elke Fein und Roland Jaritz, und einer Kennenlernrunde erkundeten die Teilnehmer/innen im ersten Teil des Salons zunächst die wichtigsten Merkmale eines neuen, integralen Paradigmas von Politik. Die Word-Cloud gibt einen ersten Eindruck von den gemeinsam erarbeiteten Kernelementen und Feldqualitäten integraler Politik.

Die Liste dieser Kernelemente – und damit das gemeinsame Verständnis integraler Politik soll in weiteren Salontreffen kontinuierlich erweitert, vertieft und verfeinert werden.

Im zweiten Teil des Salons schaute die Runde alsdann durch die Brille dieser emergierenden integralen (politischen) Kultur auf das Thema Einsamkeit, das von einem Teilnehmer im Vorfeld eingebracht worden war, und auf seine Bedeutung für eine integrale Politik.

Bereits im Januar 2018 hatte die damalige britische Premierministerin Theresa May ein Ministry for Loneliness eingerichtet – auf Initiative der 2016 ermordeten Labour-Abgeordneten Jo Cox. Vergleichbares gibt es bisher sonst nur in Japan (in Indien und Kanada wird darüber diskutiert). Die britische Regierung begründete ihren Schritt seinerzeit mit der Feststellung, dass 20% der Bürger immer wieder oder sogar dauerhaft unter dem Gefühl von Einsamkeit leiden. Studien zufolge steht das Phänomen im Zusammenhang mit tiefgreifenden Entwicklungstendenzen unserer Gesellschaften – und weniger in Abhängigkeit von der persönlichen Eingebundenheit in bestimmte soziale Kontexte. Und da es Gesundheitsschäden in ähnlichem Ausmaß wie etwa Fettleibigkeit oder das Rauchen produziert, ist es durchaus ein Thema für politische Gestaltung. Die Behörde schreibt:

„Einsamkeit kann jeden Menschen jeden Alters und Hintergrunds betreffen – vom älteren Menschen, der den Verlust eines Lebenspartners betrauert, bis hin zu einem jungen Menschen, der sich einfach anders und isoliert von ihren Freunden fühlt. Darüber hinaus, während sich unsere Gesellschaft weiterentwickelt, können ansonsten willkommene Fortschritte auch das Risiko der Einsamkeit erhöhen können. Vom flexibleren, aber oft auch dezentralen Arbeiten, bis zum Einkaufen im Internet droht die Wärme des menschlichen Kontakts aus unserem Leben zu verschwinden.“ (Policy paper “A connected society: a strategy for tackling loneliness)

Ziel des britischen Einsamkeitsministeriums ist es daher, „Gemeinschaftsräume zu schaffen“, um „die Fundamente der Gesellschaft zu stärken“ und so „zu einem tiefgreifenden sozialen Wandel“ beizutragen (vgl. das Policy paper “A connected society“, s.o.).

Bei Hanzi Freinacht haben wir unlängst ganz Ähnliches gelesen. Im zweiten Band („Nordic Ideology“) der Metamodern Politics-Serie formuliert er die Idee von Gemeinschaftspolitik (Gemeinschaft Politics) aus, der expliziten und pro-aktiven Schaffung von Beziehungs- und Begegnungsräumen in allen Bereichen der Gesellschaft, mit dem Ziel, Menschen wieder auf sinnhafte Weise miteinander in Verbindung zu bringen und auf diese Weise grundlegende zwischenmenschliche Bedürfnisse zu befriedigen.

Auch das Grundlagenpapier der Integralen Politik Schweiz und das Manifest der Bewegung Neue Kultur betonen die Bedeutung emotionaler und zwischenmenschlicher Bedürfnisse als Eckpunkte einer integralen politischen Anthropologie, denen das aktuelle, vorwiegend materialistische Weltbild nur sehr unzureichend gerecht wird. Die vier grundlegenden Bedürfnisdimensionen (physisch-materiell, emotional, mental-kognitiv und spirituell) wieder in eine angemessene Balance zu bringen erscheint insofern als zentraler Punkt auf der Agenda einer integralen Politik. Sie könnte sich daher des Themas Einsamkeit mit der spezifisch integralen Kombination von Mitgefühl und systemischer Intelligenz annehmen, die weiß, dass individuelle und systemische Heilung eng verwoben sind.

Ein besonderer Fokus des Salongesprächs lag diesbezüglich ferner auf Rand- und marginalisierten Gruppen und der Frage, wie deren ureigene Potenziale produktiv zum Wohl der Gesamtgesellschaft fruchtbar gemacht werden können.

Ziel des integralen politischen Salons ist es, ein gemeinsames Verständnis integraler Politik zu arbeiten und die Entwicklung einer integralen (politischen) Kultur zu fördern und einzuüben. Sie soll im Salon selbst als Praxis verinnerlicht werden, um auf dieser Grundlage eine neue, tiefere, integrale Qualität von Politik und des gemeinsamen Gestaltens in die breitere Gesellschaft zu tragen.

Der Salon versteht sich zugleich als Intervisionsraum, in dem konkrete praktische Anliegen, Konflikte und Herausforderungen der Teilnehmenden in diesem Zusammenhang bearbeitet werden können.

Das Format soll ab sofort regelmäßig stattfinden. Nächster Termin ist am 22. Juli 2021, 19-21h.

Anmeldung und thematische Anliegen bitte an: infoatifis-freiburg [dot] de (info[at]ifis-freiburg[dot]de).

 

Freiburg, im Juli 2021

Dr. Elke Fein